Standard.at: Diskursforscherin Wodak über Impfpflicht-Aus: Schüttet das die Gräben zu?

Die Abschaffung der Impfpflicht sei nur die Spitze der Spaltung, sagt Sprachsoziologin Ruth Wodak. Der Schaden in der Gesellschaft sei schon viel früher entstanden

Es gehe um nicht weniger als den gesellschaftlichen Frieden, argumentierte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), als er die Impfpflicht ein für alle Mal abblies. Die hätte Familien, Vereine, gar die Bevölkerung gespalten, sagten er und ÖVP-Klubobmann August Wöginger diese Woche, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) schloss sich dem an.

Das Gesetz soll also fallen, der soziale Zusammenhalt wiederhergestellt werden. So zumindest der Plan. Doch ob die Lösung derart einfach ist, ist wohl fraglich – das glaubt auch Diskursforscherin Ruth Wodak. Im Gespräch mit dem STANDARD schätzt sie die Stimmung in der Bevölkerung ein, spricht über Wendepunkte und darüber, was es nun tatsächlich braucht, um Gräben zuzuschütten.

Unsicherheit und Unbehagen
Eines vorweg: Das Chaos um die Impfpflicht war nur die Spitze der Unzufriedenheit und damit der Spaltung, sagt sie. „Ich finde es reduzierend, wenn man das nun nur auf die Impfpflicht zurückführt und hofft, dass, wenn man diese außer Kraft setzt, sämtliche Konflikte verschwinden werden“, sagt Wodak. Denn: Längst sei eine „Gemengelage“ entstanden, die geprägt ist von Unsicherheit, Unbehagen und fehlender Orientierung.
Und zwar schon sehr früh, nicht erst im heurigen Jahr. Wodak spricht von einem diskursiven Wandel, der schon 2020 begonnen habe. „Wir alle haben im ersten Lockdown eine Bevormundung erlebt. Uns wurde gesagt, was wir zu tun haben, und dass wir bestraft werden, wenn wir das nicht machen.“ Da habe es eine Art „Eltern-Kind-Kommunikation“ gegeben, die der Bevölkerung suggeriert habe, sie werde beschützt.

Doch im Sommer 2020 mussten die Österreicherinnen und Österreicher plötzlich wieder erwachsen werden. Da stand plötzlich die Eigenverantwortung im Fokus. Und dann seien Schuldige für die Corona-Herbstwelle gesucht worden, sagt Wodak, die daran erinnert, dass es hieß, das Virus komme mit dem Auto vom Balkan.

„Der Punkt, wo sich die Stimmung wirklich gedreht hat“, so die Forscherin, sei gewesen, als der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) im Sommer 2020 die Corona-Ampel lang und laut ankündigte und der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kurz darauf „ihren geplanten zentralen Stellenwert vernichtet hat“, wie Wodak das formuliert.

Dieses Muster zog sich weiter, auch bei den Impfstoffen: „Da gab es viele Ankündigungen, dann folgte Chaos“ – darüber, wer welchen Impfstoff wann bekommt und wie die Dosen ins Land gebracht werden sollen. „Da wurden wieder Schuldige gesucht: die EU, der Herr Auer, der Impfbasar“, sagt Wodak. „Die Kurz-Regierung hat die wichtigsten Punkte der Krisenkommunikation nicht erfüllt: Transparenz, Glaubwürdigkeit, Offenheit und Dialogorientierung.“ All das habe die Glaubwürdigkeit massiv geschädigt.

Bevölkerung im Wechselbad der Gefühle
Das schlägt sich freilich auch auf die Stimmung der Bevölkerung nieder. Längst hat sich gedreht, was als vorsichtig oder übervorsichtig gilt, was eine Verharmlosung sei, wer als Leugner oder Leugnerin abgestempelt wird. Da gebe es einerseits „Gewöhnungseffekte“, glaubt Wodak, andererseits habe die Politik zu schlecht erklärt, was Impfungen tatsächlich leisten können. „Dass man trotz Impfung Covid bekommen kann, hat zunächst viele erschüttert“, sagt sie, da sei viel zu spät etwas Orientierung gegeben worden.

Andererseits hätten die Menschen schlicht den Überblick verloren, welche Regeln wann und wo gelten würden und wie diese wissenschaftlich begründet werden. „Wenn ich nicht ständig Zeitung lese oder am Fernseher picke, denke ich mir: Was stimmt denn jetzt?“

Gesundheitsminister Rauch betont jedenfalls seit seinem Amtsantritt, dass er Ruhe in die Krisenbekämpfung bringen wolle. Wiederholt sagte er, es sei Zeit für einheitliche, nachvollziehbare Maßnahmen. Könnte sein neuer Stil der Ausweg aus der Kommunikationskrise der Regierung sein?
Wodak klingt da eher skeptisch. „Die Glaubwürdigkeit muss wiederhergestellt werden“, sagt sie, „dazu braucht es Transparenz, Offenheit und mehr Orientierung.“ Wenn dann aber klar wird, dass nicht einmal die Impfpflichtkommission vom Aus der Impfpflicht informiert wurde, trage das dazu nicht bei. Stattdessen müsse man verständlich machen, warum ausgerechnet jetzt, wo die Zahlen wieder rasant steigen, mit Ausnahme von Wien überall quasi alle Maßnahmen ausgesetzt sind „und vor allem vulnerable Gruppen sich zurückziehen müssen“, sagt Wodak.

FPÖ als Gewinnerin der Krise
Momentan seien es eigentlich nur die Freiheitlichen, die von der Situation profitieren würden. „Die FPÖ ist auf den Anti-Maßnahmen-Zug aufgesprungen“, sagt Wodak, „gegen ‚die da oben‘, gegen die Eliten, die Wissenschaft, gegen den Journalismus“. Die FPÖ habe das Unbehagen in der Bevölkerung instrumentalisiert. „Und plötzlich sahen wir bekannte Neonazis, die mit ‚nur‘ unzufriedenen Menschen marschiert sind“. Nun hätten die FPÖ und ihre Anhängerschaft das Gefühl, „unser Protest hat gewirkt“, sagt Wodak.

Und das kann Folgen haben, auch für andere gesellschaftliche Diskurse. „Wir kennen diese Muster der FPÖ und anderer rechtsextremer Gruppen“, sagt Wodak und meint damit die Instrumentalisierung der Unzufriedenen. Dieses Muster könne sich nun auch auf andere Krisen übertragen, etwa die Klimakrise, die Teuerung, die Inflation. „Wenn diese Krisen nicht besser gemanagt werden, wenn es keine Glaubwürdigkeit, keine Dialogorientierung und keine Transparenz gibt, dann werden bald Gelbwesten auf der Straße zu sehen sein.“

(Gabriele Scherndl, 28.6.2022)
https://www.derstandard.at/story/2000136883299/diskursforscherin-wodak-ueber-impfpflicht-aus-schuettet-das-die-graeben-zu?ref=article

BSA-Gespräch mit Renée Schroeder, Herbert Weltler, Hannes Werthner und Ruth Wodak am 15.2. um 18 Uhr per Zoom

Univ.-Prof.in. Dr.in Renée Schroeder (Biochemikerin, emeritierte Professorin für Biochemie an der Universität Wien, Autorin „Alle Moleküle immer in Bewegung“ und „Was ist Leben? Die Geschichte des vielseitigen Moleküls RNA“, Mitbegründerin der Initiative „Wir Alle“)

Dr. Herbert Weltler (Allgemeinmediziner, Notarzt, Reisemediziner, niedergelassener Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankenheiten, Impfberater des Landes Burgenland, dem Bundesland mit der höchsten Impfquote in Österreich, und Mitbegründer der Initiative „Wir Alle“)

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hannes Werthner (Informatiker, emeritierter Professor für Informatik an der Technischen Universität Wien, Initiator des Wiener Manifests für Digitalen Humanismus, Autor „Perspectives on Digital Humanism“ und Mitbegründer der Initiative „Wir Alle“)

Univ.-Prof.in Dr.in Ruth Wodak (Sprachsoziologin, emeritierte Professorin für Diskursforschung an der Universität Wien und der Lancaster University, Autorin „Politik mit der Angst – Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse“ und Mitbegründerin der Initiative „Wir Alle“)

Differenzierung statt Polarisierung, verständliche Kriterien zur Entscheidungsfindung und entsprechende Erklärungen, mehrsprachige Informationen, ein Eingeständnis von Fehlentscheidungen wie auch eine Entschuldigung bei Fehlinformationen und ein verständlicher Wissenschaftstransfer als Grundlage von Dialogbereitschaft sind dringend notwendig, Glaubwürdigkeit, Transparenz, Offenheit und Dialog-Orientierung sind die Grundpfeiler der Krisenkommunikation, wobei mehr Transparenz in der Debatte besonders wichtig ist. Das Gesundheitsministerium muss als oberste Behörde dafür sorgen, dass mit einer genauen und verbesserten Datenlage über die Wirksamkeit der Impfstoffe, relevante Nebenwirkungen, verbindliche Zahlen über die Anzahl von Geimpften und Ungeimpften in den Spitälern eine Versachlichung in der öffentlichen Diskussion eintritt. „Offene Briefe“ von ÄrztInnen müssen mit einer wissenschaftlich fundierten Datenlage entkräftet werden, um Spekulationen und Verunsicherungen entgegenzuwirken. Die große Mehrheit der BürgerInnen folgt, wie WissenschaftlerInnen, der eindeutigen wissenschaftlichen Evidenz und hat Vertrauen in die Arbeit involvierter ExpertInnen, die entsprechend wissenschaftlicher Standards arbeiten und im wissenschaftlichen Prozess evaluiert, kritisiert und auch falsifiziert werden.

Aus organisatorischen Gründen wird höflich um Anmeldung(en) per Mail unter doebling@bsa.at gebeten.

Klartext: Schaden die Corona-Proteste der Demokratie? Gespräch mit Ruth Wodak, 9.2. um 18.30h

Pandemie fordert unsere Gesellschaft und ihre demokratischen Einrichtungen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Der Ruf der neoliberalen Apologeten nach einem „schlanken Staat“ ist zwischendurch verstummt. Die Menschen wollen einen starken, entscheidungsfähigen Staat, der entsprechende Regulierungen in Gang setzen und sie damit aus der Pandemie-Krise herausführen soll: einen Krisenretter-Staat. Diesen Auftrag erfüllt die Regierung als Repräsentantin der Gesellschaft.

Auf der anderen Seite fühlen sich viele Menschen in ihren Grund- und Freiheitsrechten eingeschränkt. Sie lehnen Maßnahmen und Regeln ab, bezeichnen sie als diktatorische Eingriffe in die persönliche Lebensgestaltung, misstrauen wissenschaftlichen Fakten und glauben an die große Verschwörungserzählung. Unbehagen schlägt in Wut und Hass um.

Befeuert werden diese Emotionen durch Rechtsextreme, Staatsverweigerer, Nazis und allen voran die FPÖ, die die Krise wie die Luft zum Atmen braucht. Tätliche Übergriffe, antisemitische Entgleisungen, bedrohliche Aufmärsche vor Kranken- und Pflegeeinrichtungen und schamlose Instrumentalisierung von Kindern durch ihre Eltern prägen die Proteste.

  • Stehen wir vor einer Spaltung unserer Gesellschaft?
  • Kippt unser demokratisches System?
  • Steht eine emotionale Eskalation bevor?
  • Befindet sich die Demokratie in einer Krise?

Diesen und ähnlichen Fragestellungen will die Grüne Akademie in ihrer Veranstaltung “Klartext: Schaden die Corona-Proteste der Demokratie?” nachgehen.

Unsere Gäste sind

  • Ruth Wodak, Linguistin, Sprachsoziologin, Expertin für  Identitätspolitik, Rassismus und Antisemitismus
  • Andreas Peham, Politikwissenschafter, Rechtsextremismusexperte, Antisemitismusforscher und Mitarbeiter im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstand
  • Christian Kozina, Gemeinderat der Grazer Grünen
    Martin Hochegger, Moderation

Klartext: Schaden die Corona-Proteste der Demokratie?
Wann: 9. Februar von 18:30 bis 20:00 Uhr
Wo: Zoom-Meeting
https://us06web.zoom.us/j/86435863075?pwd=aEtaQkVxNlJqdTV4dVUwbks0RWZKUT09
Kenncode: 442563

 

Unser Ziel: Eine Corona-Impfquote von 95 Prozent. Prominenter Zuwachs für die WissenschaftlerInnen-Initiative

Prominenter Zuwachs für die WissenschaftlerInnen-Initiative Wir Alle: Herwig Kollaritsch, Walter Ötsch, Ernst Berger und Susanne Scholl

Die WissenschaftlerInnen-Initiative Wir Alle, die es sich zum Ziel gesetzt hat, in der Corona-Debatte der Minderheit der Impfgegner und Verschwörungstheoretiker gegenüberzutreten, erhält prominenten Zuwachs. Der Impfexperte und Tropenmediziner Herwig Kollaritsch, der Ökonom und Kulturhistoriker Walter Ötsch, der Kinder- und Jugendpsychiater Ernst Berger sowie die Journalistin und Autorin Susanne Scholl, Doyenne der ORF-Auslands-KorrespondentInnen, unterstützen nun aktiv das Ziel von Wir Alle, die Quote der Corona-Impfungen in Österreich auf 95 Prozent zu heben.

Gemeinsam mit den GründerInnen von Wir Alle – der Molekularbiologin Renée Schroeder, dem Informatiker Hannes Werthner, der Diskursforscherin Ruth Wodak und dem Mediziner Herbert Weltler, dem Impfberater des Landes Burgenland – treten die renommierten Neuankömmlinge dafür ein, in einer auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Debatte die oftmals sehr emotionale COVID-19-Diskussion zu versachlichen und damit zur Überwindung der Krise beizutragen.

Das Vier-Punkte-Programm von Wir Alle:

  • sich impfen lassen (wichtig für sich selbst und als Solidarität für die Anderen);
  • die Argumente für die Impfung öffentlich kundtun, erklären und darüber reden;
  • die Debatte über Corona-Maßnahmen versachlichen;
  • für eine glaubwürdige, verständliche, transparente Kommunikation ohne leere Versprechungen eintreten, damit eine Impfquote von 95 Prozent erreicht werden kann.

In ersten Stellungnahmen haben Herwig Kollaritsch, Walter Ötsch, Ernst Berger und Susanne Scholl dargelegt, warum sie Wir Alle beigetreten sind.

Herwig Kollaritsch: „Es liegt mir am Herzen, die Folgen der COVID-19 Pandemie zu minimieren, wo immer dies möglich ist. Viele Menschen sind zutiefst verunsichert, fühlen sich einerseits bedroht, sind aber auch andererseits nicht in der Lage, analytisch mit den Geschehnissen umzugehen. Es ist dringend nötig, klar die Fakten dort zu kommunizieren, wo wir es auch wirklich können, und fair genug zu sein, zuzugeben, wo wir es nicht oder noch nicht können. Wissenschaftliche Evidenz muss so aufbereitet sein, dass jedermann/frau damit etwas anfangen kann und sein Leben dadurch erleichtert wird. Es gilt, entschieden Halbwahrheiten und Mythen aufzuklären. Dies sehe ich als eine der Kernaufgaben der Initiative Wir Alle und deshalb unterstütze ich sie.“

Walter Ötsch: „Wir leben in einer technischen Kultur. Technik beruht auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese müssen gegen Meinungen abgegrenzt und vor persönlichen Meinungen geschützt werden – unabhängig davon, ob die Politik naturwissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt oder nicht.“

Ernst Berger: „Ich halte die Initiative der Plattform für wichtig, weil evidenzbasierte Information in die Öffentlichkeit getragen werden muss. Als Kinderpsychiater und Kinderneurologe weiß ich, wie einschneidend die Konsequenzen von schweren Virusinfektionen im Leben junger Menschen sein können. Die mittlerweile allseits bekannten sozialen und psychischen Konsequenzen für Jugendliche können nur dann reduziert werden, wenn die Impfbereitschaft signifikant ansteigt. Da seitens der Behörden dazu nicht genug getan wird, ist eine derartige Initiative wichtig.“

Susanne Scholl: „Sind Sie gegen Pocken, Kinderlähmung, Tuberkulose und vieles mehr geimpft? Ja? Und was ist jetzt anders? Ich will niemanden an Corona verlieren. Ich will auch nicht an Corona sterben. Ich bin 72 Jahre alt und habe Diabetes. Ich bin drei Mal geimpft, es geht mir gut und ich bin froh, niemanden zu gefährden und geschützt zu sein. Bitte lassen Sie sich impfen!“

Alle genannten Persönlichkeiten der Initiative Wir Alle stehen gerne für Interviews zur Verfügung. Wir freuen uns über Ihre Berichterstattung.

Corona-Debatte: Forderung nach Glaubwürdigkeit, Transparenz und Offenheit.

Wissenschaftler-Initiative firmiert jetzt als Plattform Wir Alle

„Es ist an der Zeit, sich einzumischen“: Der Aufruf von dreiWissenschaftlerInnen und dem Impfberater des Landes Burgenland, in der Corona-Debatte der Minderheit der Impfgegner und Verschwörungstheoretiker gegenüberzutreten, fand in Österreichs Medien und in der Öffentlichkeit breiten Widerhall. Die Initiative um Renée Schroeder (Molekularbiologin), Hannes Werthner (Informatiker), Ruth Wodak (Diskursforscherin) und dem Mediziner Herbert Weltler hat sich nun einen Namen gegeben: „Wir Alle“. Unter diesem Titel entsteht eine On-line Plattform mit intensiver Bürgerbeteiligung.

Über das Portal change.org wird ab sofort eine Unterschriftenaktion eingeleitet, mit der die Bürger ihre Unterstützung bekunden können. Weitere Aktivitäten werden folgen. Die Initiatoren von Wir Alle wurden mittlerweile bereits von vielen anderen ähnlich gelagerten Initiativen aus der Zivilgesellschaft angesprochen. Gemeinsames Ziel: Es geht uns, abgesehen von einem dringenden Aufruf zum Impfen, um eine „Versachlichung der Debatte“ über den Umgang mit der Covid-Pandemie.

Als Grundpfeiler der Krisenkommunikation seien Glaubwürdigkeit, Transparenz, Offenheit und Dialog-Orientierung dringend notwendig. Die wichtigsten Punkte:

Differenzierung statt Polarisierung, Verständliche Kriterien zur Entscheidungsfindung und entsprechende Erklärungen, Mehrsprachige Informationen, Eingeständnis von Fehlentscheidungen wie auch Entschuldigung bei Fehlinformationen, Verständlicher Wissenstransfer als Grundlage von Dialogbereitschaft.

Die vier InitiatorInnen von Wir Alle halten fest: „Wir sind nicht die Experten für Corona-Maßnahmen–aber wir sind der festen Überzeugung, dass man der wissenschaftlichen Evidenz folgen soll (und die ist eindeutig). Vor unserem methodischen Hintergrund haben wir absolutes Vertrauen in die Arbeit der involvierten ExpertInnen in der Epidemiologie, Medizin, Virologie, Statistik, Simulation, Psychologie, Pädagogik, etc. Sie arbeiten entsprechend wissenschaftlicher Standards und werden im wissenschaftlichen Prozess entsprechend evaluiert, kritisiert (und auch falsifiziert).“

Besonders wichtig ist den InitiatorInnen die Forderung nach mehr Transparenz in der Debatte: Das Gesundheitsministerium muss als oberste Behörde dafür sorgen, dass mit einer genauen und verbesserten Datenlage über die Wirksamkeit der Impfstoffe, relevante Nebenwirkungen, verbindliche Zahlen über die Anzahl von Geimpften und Ungeimpften in den Spitälern eine Versachlichung in der öffentlichen Diskussion eintritt. „Offene Briefe“ von ÄrztInnen müssen mit einer wissenschaftlich fundierten Datenlage entkräftet werden, um Spekulationen und Verunsicherungen entgegenzuwirken.

Wie groß die Mehrheit der Impf-Befürworter im Lande ist, wird anhand der aktuellen Zahlen deutlich: Mehr als 6,16 Millionen Menschen (68,98 Prozent der österreichischen Bevölkerung) haben ein aktives Impfzertifikat (Stand: 16. Dezember); 6,5 Millionen Menschen oder 73 Prozent der Gesamtbevölkerung haben zumindest eine Impfung bekommen. Dagegen nimmt sich die Zahl von 44.000 Gegendemonstranten am letzten Samstag in Wien und von einigen Tausend in den Bundesländern verschwindend gering aus.

Die Plattform Wir Alle unterstützt den Plan, am 19. Dezember (18.30 Uhr) in Wien ein Lichtermeer zum Gedenken an die bisher mehr als 13.000 Corona-Toten in Österreich und als Kontrapunkt zu den Corona-Demonstrationen durchzuführen (Abstand halten, Maske tragen, Anreise ohne „Pulkverhalten“, PCR-Test bzw. 2G+).

Renée Schroeder, Ruth Wodak, Hannes Werthner und Herbert Weltler stehen gerne für Interviews zur Verfügung. Wir freuen uns über Ihre Berichterstattung.

Was sagen die Medien?

  • Corona – Wissenschafter-Initiative gründet Plattform „Wir Alle“
    >> APA Science
  • Wissenschaftler-Initiative heißt nun „Wir Alle“
    >> ORF Science
  • Corona-Pandemie: Wissenschafter-Initiative ruft zur Impfung auf
    >> Wiener Zeitung
  • Belastung, Misstrauen, Polarisierung – Wie verändert das Virus unsere Gesellschaft?
    >> ORF 2, Im Zentrum
  • Reden, nicht diffamieren: „Im Zentrum“ auf ORF 2 über eine gespaltene Gesellschaft
    >> Standard online

„Rudimentäre Kapitalismuskritik, die die Fakten ausblendet“ Sprachforscherin Ruth Wodak/Wiener Zeitung

„Wiener Zeitung“: Jeden Samstag demonstrieren rund 40.000 Menschen gegen Corona-Maßnahmen und Impfpflicht, täglich lassen sich aber mehr als doppelt so viele gegen das Coronavirus impfen. Laut den Daten des E-Impfpasses haben 6.444.430 Personen zumindest eine Impfung erhalten und 6.076.249 Menschen und damit 68 Prozent der Österreicher verfügen über einen gültigen Impfschutz. „Die geimpfte Mehrheit darf nicht länger schweigen“, halten Sie mit Renée Schroeder, Hannes Werthner und Herbert Weltler in einer Aussendung fest, und in Wien ist kommenden Sonntag ein Lichtermeer der geimpften Mehrheit geplant. Eine Wende?
Ruth Wodak: Wir vier wollen ins Bewusstsein rufen, dass ein sachlicher Diskurs jetzt notwendig ist und nicht ausschließlich Provokationen die Schlagzeilen bestimmen dürfen. Provokationen sind ein bewährtes Mittel rechtspopulistischer Bewegungen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wir wollten darauf aufmerksam machen, dass ihnen nicht so viel Platz gebührt. Wir wollen nichts verharmlosen, keinesfalls. Aber man sollte ausgewogener berichten. Es ist auch ein Appell an die Politik, die Krisenkommunikation zu verbessern; es wurden sehr viele Fehler gemacht.

Zum Beispiel?
Wenn man an einem Tag sagt, wir machen keinen Lockdown, und am nächsten Tag sehr wohl einen verordnet, kann das niemand nachvollziehen. Es geht auch um Verständlichkeit, und welche Kriterien für Entscheidungen ausschlaggebend sind. Noch am 13. Oktober hatte der frühere Finanzminister behauptet, die Pandemie sei vorbei, und schon vor vielen Monaten wurde ein Bonus versprochen, den das Gesundheits- und Pflegepersonal bis jetzt nicht bekommen hat. Es wäre besser, zu sagen, dass man es nicht vorhersagen kann, die Bevölkerung aber am Laufenden hält, und dass verschiedene Faktoren für diverse Szenarien sprechen. Ein Wirrwarr an Regeln führt zu Politikverdrossenheit; nicht gehaltene Versprechen machen unglaubwürdig.

Politische Kommunikation ist schuld, dass immer noch ein Drittel der Bevölkerung ungeimpft ist?
Sicherlich nicht nur, das wäre eine zu simple Erklärung. Die FPÖ hat vor allem eine Nische gesucht, in der sie rein strategisch Erfolg haben kann. Viele Themen sind der FPÖ ja abhandengekommen: Österreich hat keine Flüchtlinge aus dem Lager in Moria aufgenommen, die Grenzen wurden im ersten Lockdown geschlossen. Die „neue“ Nische war also ein Aufruf zum Protest gegen „die da oben“: Maßnahmen, Regierung, Medien, Wissenschaft. Diese Strategie hat die FPÖ in den Meinungsumfragen wieder nach oben katapultiert und sogar eine neue Protestpartei, MfG, produziert. Es handelt sich um eine bewusste politische Instrumentalisierung der Menschen. Wenn man keine sinnvollen Perspektiven schafft, sondern Verwirrung erzeugt, kann man politikverdrossene Menschen für Anti-Haltungen gewinnen. Es ist eine Gemengelage von Rechten, Neo-Nazis, Identitäre, Enttäuschten, Esoterikern und Impfskeptikern.

Die jüngste Eurobarometer-Umfrage attestiert Österreich eine ausgeprägte Wissenschaftsfeindlichkeit. Wie ist diese zu erklären?
Die Wissenschaft ist hierzulande, vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg, nicht wirklich im Fokus des Interesses gewesen. Leider wurden in der Nazi-Zeit sehr viele exzellente Wissenschafterinnen und Wissenschafter vertrieben, beziehungsweise ermordet. Und nach 1945 wollte man ausgezeichnete Forscherinnen und Forscher auch nicht zurück. Erst langsam ist ein Wiederaufbau der Wissenschaft gelungen. Dabei gab es aber im Gegensatz zu anderen Ländern, wie der Schweiz oder Deutschland, nicht so große Investitionen – wir liegen im Verhältnis immer noch zurück in der Förderung von Exzellenzforschung. Verglichen etwa mit Skandinavien sind wir bei Forschungsausgaben proportional zur Bevölkerungszahl nicht vorne. Weiters gibt es ein kollektives Desinteresse, oft sogar abfällige Einstellungen zur Wissenschaft. Einiges haben wir uns auch selber zuzuschreiben. Lange äußerten sich nicht viele Forschende in der Öffentlichkeit, jetzt sind es endlich aufgrund der Covid-Krise mehr.

Wie ließe sich das ändern?
Diese Entwicklungen stehen stark im Gegensatz zum angelsächsischen Raum, wo Wissenschafter keine Vorbehalte haben, Wissen verständlich zu formulieren. In England etwa ist es wichtig, welche Resonanz Wissenschaft auch außerhalb der Wissenschaft hat. Das hat man lange Zeit bei uns verabsäumt, viele hierzulande sind sich dazu immer noch zu gut.

Man hat den Eindruck, dass die Gegner der Impfungen weniger auf die Gesellschaft als auf sich selbst bedacht sind. Geht Solidarität auch durch Social Media flöten?
Natürlich wird Propaganda leichter über Social Media als über traditionelle Medien vermittelt, aber ich würde diese Wertung nicht generalisieren. Propaganda benötigt Überzeugungsarbeit und Mobilisierung, aber nicht nur über Social Media. Momentan erleben wir eine strategische Instrumentalisierung von Enttäuschung, Wut, Angst und Politikverdrossenheit. Wir hatten ja bis vor kurzem eine Regierung, die sich vor allem an Meinungsumfragen orientiert und diese noch dazu manipuliert hat.

Es gibt ein Lager, das nicht auf die Straße geht, nicht rechts wählt und sich am ehesten unter gebildeten Menschen verorten lässt, die hinter der Impfung kapitalistische Geldmacherei vermuten und sich ermächtigt sehen, indem sie sich verweigern. Ganze Familien geraten über solche Haltungen in Streit. Wie lässt sich das Dilemma lösen?
Das ist ein ideologischer Konflikt. Auf der einen Seite begegnen wir einer sehr rudimentären Kapitalismuskritik, wonach Pharmafirmen an allem schuld sind und bloß reich werden wollen – alte Argumente. Zugleich handelt es sich um Verschwörungstheorien, wonach Wissenschafter als Marionetten von Pharma-Firmen agieren. Und das ist doch eine schlimme Unterstellung. Meines Erachtens werden dabei simple Narrative ideologisch aufgeputzt, die letztlich an althergebrachte antisemitische Weltverschwörungstheorien anknüpfen.

Wissenschaftlich erforschte Fakten sind keine Glaubensfrage. Schlittern wir in einen Religionskrieg ohne Religion?
Der Philosoph Karl Popper meinte einst recht polemisch, Religion sei letztlich eine Verschwörungstheorie – fest gefügte Glaubensgebäude, die für viele Phänomene gute Erklärungen bieten. Der Soziologe Zygmunt Baumann wiederum betonte, dass Krisen vor allem durch Unsicherheit charakterisiert sind und dadurch Angst hervorrufen: Man weiß nicht, was passiert, wann die Krise zu Ende geht und was man tun soll. Man kann sich an Verschwörungstheorien klammern, indem man sagt, es sei durch das Schicksal bestimmt, oder an simplistische, vorurteilsbehaftete Erklärungen.

Was bedeutet das für die Demos?
Die Parteien, die solche Unsicherheiten und Ängste instrumentalisieren, verkaufen es so, dass sie für die Freiheit und die Demokratie und gegen Zwang und Diktatur eintreten. Sie meinen: „Wir wollen selbst über unseren Körper bestimmen und uns impfen lassen oder nicht.“ Das hat mit einem Gefühl der Ermächtigung zu tun, die aber Fakten ausblendet. Allerdings handelt es sich um eine Minderheit.

Sehen Sie eine Spaltung der Gesellschaft?
Nein. Spaltung wäre fifty-fifty. Es ist aber eine große Mehrheit, die denkt: Wir lassen uns impfen, weil Gesundheit wichtig ist; es ist wichtig, bei den Fakten zu bleiben und darauf hinzuweisen, wer die Mehrheit ist. Ob all dies die Gesellschaft aber doch nachhaltig auseinandertreibt, muss sich weisen. Man muss sehr vorsichtig sein, denn es gibt eine ökonomische Krise und wenn die Arbeitslosigkeit weiter steigt, stehen Existenzen auf dem Spiel. Es wird viel Arbeit sein, das Vertrauen wieder aufzubauen; das alles geht nicht einfach wieder vorbei.

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wissen/mensch/2131325-Ermaechtigung-die-die-Fakten-ausblendet.html

Ruth Wodak, geboren 1950 in London, ist Sprachsoziologin, Diskursforscherin und emeritierte Professorin für angewandte Sprachwissenschaften der Uni Wien. apa / Journalistinnenkongress – © APA/OTS/Journalistinnenkongress

Corona-Debatte: Warum die Mehrheit – klug, solidarisch und geimpft – nicht länger schweigen darf

Aufruf der WissenschaftlerInnen Renée Schroeder, Ruth Wodak, Hannes Werthner und Herbert Weltler

Blickt man auf die Straße, so scheinen die Impfgegner die Debatte um die Maßnahmen im Umgang mit der Covid-Pandemie zu beherrschen. Doch dieser Eindruck liefert ein völlig falsches Bild. Während etwa am 4. Dezember geschätzte 42.000 Impfgegner in Wien demonstrierten, erhielten am gleichen Tag fast doppelt so viele Bürger – exakt 79.559 – eine Corona-Schutzimpfung. 6.427.266 Menschen, das sind 71,95 Prozent der impfbaren Bevölkerung Österreichs, besitzen laut Sozialministerium ein aktives Impfzertifikat (Stand: 8. Dezember 2021).

Es sei hoch an der Zeit, sich in die Debatte einzumischen, befinden nun vier renommierte WissenschaftlerInnen – die Molekularbiologin Renée Schroeder, die Diskursforscherin Ruth Wodak, der Informatiker Hannes Werthner und der Mediziner Herbert Weltler- in einem gemeinsamen Aufruf zur Corona-Debatte, in dem sie mehr Wortmeldungen der geimpften Bürger und Bürgerinnen sowie einen stärkeren Focus auf die Wissenschaft fordern. Ihr Befund:

„Scheinbar gibt es in der aktuellen Corona-Situation nur zwei Pole: Auf der einen Seite zeigt die Regierungspolitik, dass sie bisher der Pandemie nicht gewachsen ist, weshalb man ihr misstraut und sie unglaubwürdig geworden ist. Die Krisenkommunikation bleibt verwirrend und nicht nachvollziehbar, es fehlen u.a. Transparenz, Aufklärung und Dialog. Auf der anderen Seite besetzen Impfgegner und Corona Leugner die Straße, kritisieren die Maßnahmen vehement und verbreiten obskure Verschwörungstheorien.“

Beide Seiten haben ein distanziertes Verhältnis zur Wissenschaft: die Regierungspolitik, weil sie diese nur dann benutzt, wenn es gerade opportun ist oder nicht mehr anders geht, und die Leugner, die ja generell der Wissenschaft als solche misstrauen und überall dunkle Mächte vermuten.

Aber es darf doch nicht sein, dass in Österreich

  1. Spitäler überfüllt sind, wichtigeOperationenverschobenwerden und Leute sterben müssen,
  2. nur die Mehrheit Solidarität zeigen muss,
  3. eine Minderheit sich einer ernsthaften Auseinandersetzung verweigert,
  4. Lobbyisten die Corona-Schutzmaßnahmen blockieren bzw. hintergehen und dann Ausnahmen fordern,
  5. ein wirtschaftlicher / sozialer / gesellschaftlicher Einbruch dem nächsten folgt.

Das Fazit von Renée Schroeder, Ruth Wodak, Hannes Werthner und Herbert Weltler: „Es ist an der Zeit, sich einzumischen. Die Bekämpfung der Pandemie darf nicht parteipolitischen Interessen unterworfen werden.Es gibt uns, den/die BürgerIn, kritisch und reflektiert. Es gibt sie, die Stimme der Mehrheit und der Vernunft.“

Renée Schroeder, Jahrgang 1953, ist emeritierte Professorin für Biochemie an der Universität Wien. Zuletzt machte sie als Autorin der Bücher „Alle Moleküle immer in Bewegung“ (Residenz-Verlag) und „Was ist Leben? Die Geschichte des vielseitigen Moleküls RNA“ (Picus-Verlag) Schlagzeilen.

Ruth Wodak, Jahrgang 1950, emeritierte Professorin für Diskursforschung, Universität Wien/Lancaster University. Ihre Bücher, wie „Politik mit der Angst. Die schamlose Normalisierung rechtspopulistischen Diskurses“ (Konturen Verlag) und „Discourseof Politics in Action – Politics asUsual“ (Palgrave MacMillan) wurden in viele Sprachen übersetzt und gelten als Klassiker.

Hannes Werthner, Jahrgang 1954, Informatiker war von 2006 bis 2020 Professor an der Technischen Universität Wien, wo er von 2016 bis 2019 auch das Amt des Dekans der Fakultät für Informatik innehatte. Er ist Initiator des Wiener Manifests für Digitalen Humanismus und Mitherausgeber des gerade bei Springer erschienenen Bandes „Perspectives on Digital Humanism“.

Herbert Weltler, Jahrgang 1958, promovierte 1985 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, danach Ausbildung zum Allgemeinmediziner, FA für Haut und Geschlechtskrankheiten, Reisemediziner und Notarzt.Seit 1995 ist Herbert Weltler in Eisenstadt als niedergelassener Hautarzt tätig und seit Jänner 2021 Impfberater des Landes Burgenland.

Renée Schroeder, Ruth Wodak, Hannes Werthner und Herbert Weltler stehen gerne für Interviews zur Verfügung.Wir freuen uns über Ihre Berichterstattung.

Was sagen die Medien?

APA Meldung von Christian Müller

APA0150 5 CI 0342 XI                                  Do, 09.Dez 2021

Corona-Impfung/Impfstoffe/Epidemie/Viruserkrankung/Wien

Corona – Forscher: Geimpfte Mehrheit darf nicht länger schweigen

Utl.: Renée Schroeder, Ruth Wodak, Hannes Werthner und Herbert

Weltler finden es „hoch an der Zeit, sich in die Debatte einzumischen“ =

Wien (APA) – Wissenschafter appellieren in der Corona-Debatte nun an „die Mehrheit – klug, solidarisch und geimpft – nicht länger zu schweigen“. Der Eindruck beim Blick auf die Straße, dass die Impfgegner die Debatte um die Corona-Maßnahmen beherrschen, sei völlig falsch, weshalb es Renée Schroeder, Ruth Wodak, Hannes Werthner und Herbert Weltler in einem am Donnerstag veröffentlichten Aufruf für „hoch an der Zeit finden, sich in die Debatte einzumischen“.

Die Molekularbiologin Schroeder, die Diskursforscherin Wodak, der Informatiker Werthner und der Mediziner Weltler fordern in ihrem Aufruf nicht nur mehr Wortmeldungen der geimpften Bürger und Bürgerinnen, sondern auch einen stärkeren Fokus auf die Wissenschaft. Schließlich hätten am 4. Dezember, als geschätzte 42.000 Impfgegner in Wien demonstrierten, auch fast doppelt so viele Bürger – exakt 79.559 – eine Corona-Schutzimpfung erhalten. Und mittlerweile würden rund 6,5 Mio. Personen bzw. 72 Prozent der impfbaren Bevölkerung Österreichs ein aktives Impfzertifikat besitzen.

„Scheinbar gibt es in der aktuellen Corona-Situation nur zwei Pole: Auf der einen Seite zeigt die Regierungspolitik, dass sie bisher der Pandemie nicht gewachsen ist, weshalb man ihr misstraut und sie unglaubwürdig geworden ist. Die Krisenkommunikation bleibt verwirrend und nicht nachvollziehbar, es fehlen u.a. Transparenz, Aufklärung und Dialog. Auf der anderen Seite besetzen Impfgegner und Corona-Leugner die Straße, kritisieren die Maßnahmen vehement und verbreiten obskure Verschwörungstheorien“, konstatieren die Wissenschafter.

Sie verweisen auf das „distanzierte Verhältnis“ beider Seiten zur Wissenschaft. Die Regierungspolitik habe dies, weil sie die Wissenschaft „nur dann benutzt, wenn es gerade opportun ist oder nicht mehr anders geht“, und die Leugner, weil diese „generell der Wissenschaft als solcher misstrauen und überall dunkle Mächte vermuten“. Für Schroeder, Wodak, Werthner und Weltler ist es deshalb „an der Zeit, sich einzumischen. Die Bekämpfung der Pandemie darf nicht parteipolitischen Interessen unterworfen werden“. Es gebe kritische und reflektierte Bürger und Bürgerinnen, „es gibt sie, die Stimme der Mehrheit und der Vernunft.“

(SERVICE – Der Aufruf im Wortlaut:
http://go.apa.at/r7sHL8Bd)

cm/nt/dk APA0150    2021-12-09/10:56